Freitag, 28. Mai 2010

"Meine Familie hat schon immer gewusst, dass ich spinn"

Buntes Treiben und barfüßige Besucher: Über 30 private und hauptberufliche Gärtner und Bauern lockten am 26. März zum ersten "Markt der Vielfalt" in den Grazer Augarten. Mitten drin eine Jungbäuerin, die sich mit ihrem eigenen Hof auf 950 Metern Seehöhe einen Kindheitstraum erfüllt hat.
von Johanna Zweiger. Redigiert von Max Daublebsky.

Das Angebot reichte vom Biohanfbier bis zur steirischen Erdäpfelwurst und bei den Besuchern war vom Althippie bis zum Anzugträger alles vertreten.
Inmitten dieser bunten Ansammlung hatte auch Kerstin Reichmann ihren Stand. Zusammen mit Arche Austria, einem Verein zur Erhaltung seltener Nutztierrassen, bei dem sie auch Mitglied ist.

Kindheitstraum

Die 25-jährige Jungbäuerin hat sich im Jahr 2004 mit ihrem auf 950 Metern gelegenen Gössler-Hof selbstständig gemacht und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt: "Ich wollte immer schon meinen eigenen Bauernhof am Berg haben." Wie ihr Umfeld darauf reagierte? "Meine Familie hat immer schon gewusst, dass ich spinn`. Die Leute waren anfangs schon skeptisch, auch weil ich eine 'Zuagroaste' bin - aber inzwischen bekomme ich immer mehr Anerkennung.
Ihren Hof führt Reichmann zusammen mit ihrem Lebensgefährten. Das vielfältige Angebot reicht von der Hütehundeausbildung bis zur Tierpension. Zu Kaufen gibt es Fälle sowie das Fleisch des Krainer Steinschafs - einer seltenen Nutztierart. So nutzt sie den "Markt der Vielfalt" auch, um neue Kundschaft zu gewinnen.

Hintergrund

Reichmanns Überzeugungen stimmen aber auch mit dem eigentlichen Hintergrund des Marktes überein: dem fünften Treffen der europäischen Saatgutinitiativen, das vom 25. bis 27. März in Graz stattfindet. Unter dem Motto "Zukunft säen - Vielfalt ernten", soll hier das Recht der Bauern verteidigt werden, ihr eigenes Saatgut verwenden zu dürfen. Über 30 Teilnehmer wie etwa Global 2000 oder Arche Noah, wollen verhindern einige wenige Saatgutkonzerne (Monsanto) noch mächtiger werden zu lassen. Deren Ziel ist es, die Vielfalt des heute bestehenden Saatgutes einzuschränken, und nur noch einige wenige von ihnen kontrollierte Sorten anzubieten.

Konzentration im Saatgutgeschäft

Dies widerspricht auch der Ideologie der jungen Bergbäurin, die sich nicht ohne Grund auf seltene Nutztiere spezialisiert hat und damit von Artenvielfalt abhängig ist: auf einer Seehöhe von 950 Metern braucht man diese seltenen Tiere, die mit den dortigen Ressourcen zurechtkommen und widerstandsfähig sind. Neben Schafen und Hunden findet man auf dem Gössler-Hof noch Hausesel, Mangalitza-Schweine und einen Shagya Araber.

Einsamkeit

Neben ihrer Arbeit als Bäuerin geht Reichmann einem zweiten, ihrem Alter wohl eher entsprechendes Betätigungsfeld nach: Sie betreut verschiedene Websites, wie etwa www.asds.at oder die Homepage ihres eigenen Hofes. Dies stellt für sie wohl auch ein Fenster in die Welt dar. Denn abschließend sagt Reichmann mit traurigem Unterton, dass man auf einem Bergbauernhof grundsätzlich natürlich einsam lebe und damit zurechtkommen müsse keine Nachbarn zu haben. Obwohl sie nicht vergisst hinzuzufügen, ihre Entscheidung nie bereut haben.

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