Dienstag, 14. Dezember 2010

Buchenblatt aufs Butterbrot - Die schmackhafte Welt der Maria Stix



Buchenblätter aufs Butterbrot – Die schmackhafte Welt der Maria Stix
von Christina Tieber


Neckisch-lebendige Augen blicken hervor hinter der eckigen Brille. Die kleine Dame unter dunkelbraunem Pferdeschwanz und Stirnfransen erklärt voller Elan einem Kunden, was denn da nun wirklich in dem Topf auf dem Markttisch vor ihr wächst. Gänseblümchen sind’s, Huflattich und Löwenzahn. Maria Stix ist eine Biobäurin der besonderen Art: Sie achtet nicht nur auf die Erhaltung alter Sorten, sondern kocht auch mit Pflanzen, die jede Gartenkoryphäe als Unkraut beschimpft. Im Interview erzählt sie von ihrem Faible für Unkraut, wieso Ernten und Sähen für sie besondere Bedeutung hat und was der Unterschied ihrer Arbeit zu einem normalen Bürojob ist.



Was hat Sie dazu bewegt, sich mit so ungewöhnlichen Nutzweisen von Unkraut und anderen wild wachsenden Pflanzen zu beschäftigen?

Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen und meine Eltern haben einen Feldgemüseanbau gehabt, es hat sich also durch die Arbeit ergeben. Ich habe als Jugendlicher schon am Acker Unkraut gejätet, und es hat mich irgendwie interessiert: Kann man das auch essen? Ich hab dann einen Kurs entdeckt, der sich damit beschäftigt und mich gleich für den ersten angemeldet. Irgendwie hab ich ein Faible für Unkräuter.

Können Sie ein paar Tipps oder Rezepte für Leckereien geben, die man mit Kräutern zaubern kann, die vielleicht gleich am nächsten Waldrand oder auf der Wiese hinterm Haus wachsen?

Von solchen Rezepten gibt es Unmengen! Die meisten sind jahreszeitenabhängig. Im Frühling sind zum Beispiel Huflattichblüten in Butter gedünstet was sehr Gutes, oder auch Bärlauch und Bärlauchcremesuppe. Wenn’s schnell gehen muss, einfach ein Butterbrot, auf das man ein paar grüne Blätter drauflegt - da kann man ganz junge Buchenblätter, Birkenblätter oder Lindenblätter nehmen. Man kann’s auch so machen, dass man in Backteig etwas herausbäckt, oder in einen Palatschinken- oder Schmarrenteig Wildkräuter hineingibt. Man kann so viel machen – und das meiste geht recht flott.

Ich empfehl den Leuten auch, einfach über die Wiese zugehen und einmal zu kosten. Dann weiß man, wo die wilden Kräuter dazu passen und wo nicht. Das Interessante dabei ist auch, dass wild Wachsendes oft viel mehr Inhaltsstoffe hat als die Kulturpflanze daneben. Es gibt mittlerweile sogar Bücher zu diesem Thema – von solchen hab ich sicher einen Meter daheim.

Darf man sich auch einfach einmal bei Ihnen zum Essen einladen, damit man etwas lernt?

Ja, die Möglichkeit gibt es wirklich: Ich veranstalte „Wildkräuterwanderungen“ mit anschließendem Kochen, wo wir das verarbeiten, was wir gesammelt haben. Ich biete auch an, zu den Leuten nach Hause zu kommen, weil ich merk einfach: Bei der Wanderung ist alles klar, aber daheim sieht alles anders aus. Also zeige ich den Leuten vor Ort, was in ihrer Umgebung und ihrem Garten wächst. Ich hab festgestellt, dass das den Leuten wirklich hilft.

Wie sieht denn ein typischer Tag bei Ihnen zuhause auf dem Bio-Bauernhof aus?

Es gibt keinen typischen Tag, jeder ist Tag anders, das ist das Schöne an diesem Beruf. Ich kann mir den Tag selber einteilen. Ich muss eben schauen, was die Natur mir bietet und wie der Tag und das Wetter sind. Ich geh nicht um acht ins Büro und um vier wieder heim. Es gibt einfach keinen typischen Tag. Ich hab auch keinen Wecker, ich steh auf, wann ich munter werd; und das ist meistens dann, wenn es hell wird.

Gibt’s irgendeine Lieblingsbeschäftigung, der Sie sehr gern nachgehen?

Ernten ist natürlich immer eine schöne Arbeit, da sieht man, man hat gut gearbeitet im Jahr. Aber es ist natürlich auch eine anstrengende Zeit. Doch mit der Zeit versteht man das anders zu nehmen und nicht nur als Stress zu sehen. Das Sähen gefällt mir auch sehr gut. Was mich am Gemüsebau so fasziniert: Da legt man ein Samenkorn in die Erde hinein, und es wächst daraus so schnell etwas heran! Es sind aber auch andere Arbeiten schön. Wenn sie nicht zu lange dauern - muss ich zum Beispiel drei Wochen nur Bäume schneiden, dann zipft’s mich schon an; meinem Mann macht das eher wenig. Aber ich versuche, jeder Arbeit etwas Schönes abzugewinnen.

Verwenden Sie auch Pflanzenspritzmittel?

Biologischen Pflanzenschutz spritzen wir als Biobauern genauso, aber man spritzt eben keine synthetischen Spritzmittel sondern Sachen, die genau so vorkommen in der Natur. Im Handel soll der biologische Apfel genauso schön sein wie der herkömmliche. Das schafft man nicht ohne Spritzmittel. Und man muss bei einer biologisch geführten Landwirtschaft sogar mehr spritzen und mehr arbeiten als im konventionellen Obstbau. Dabei hab ich aber weniger Ertrag. Wir sind auch Ursprungsbauern, das heißt, wir liefern auch an Hofer. Da merkt man einfach: wenn der Apfel einmal nicht so schön ist, bleibt er länger im Geschäft liegen.



Hier auf Ihrem kleinen Markttisch gibt es ja eine riesige Auswahl an hübsch anzusehenden Bohnen und anderen Früchten und Kräutern. Gibt es diese Vielfalt schon seit vielen Generationen auf Ihrem Bauernhof oder haben erst Sie die Vielfalt zu Ihnen nach Hause gebracht?

Nein, diese große Vielfalt gibt’s schon immer. Es hat früher sogar noch mehr gegeben: Wir haben zum Beispiel Käferbohnen in sicher drei verschiedenen Farben gehabt. Dann mussten wir aber meine Oma pflegen. Meine Mutter hat zu dieser Zeit den Marktstand aufgelassen. Sorten, von denen sie gedacht hat, die gibt es eh im Handel, hat sie nicht mehr weitervermehrt. Ich hab mich erst jetzt dazu entschlossen, den Marktstand doch weiter zu beschicken und fang wieder neu an.

Dann alles Gute für den Neustart und herzlichen Dank für das Interview!

Donnerstag, 9. Dezember 2010

Hirsebecken, Klauenkletten und violette Kartoffeln

von Mario Rubenzer, redigiert von Katharina Robia


LEADER-Projekt „Slowfood“ soll Kindern alte Kulturpflanzen
schmackhaft machen

Eine Blaskapelle zieht musizierend über das Veranstaltungsgelände, Köche bereiten „Erdäpfelwürstl“ und „Dinkellaibchen“ zu und Menschen im Look der späten Sechziger tummeln sich an den Ständen: Das sind die ersten Eindrücke der vom 25. bis 27. März 2010 ist Saatgut-Messe, die vom 25. bis 27. März 2010 in Graz stattfindet. Hundertsechzig Teilnehmer aus den verschiedensten Nationen kommen hier zusammen, um beim fünften „Treffen der europäischen Saatgutinitiativen dabei zu sein. Natürlich mit dabei: Der gemeinnützige Verein Arche Noah.

Die Eltern über die Kinder erreichen

Nur zwölf eigene Mitarbeiter hat er, doch mehr als 150 Erhalter/innen. Eine von ihnen ist Anna Wünscher vom „Hügelland Schöcklland“. Sie arbeitet zusammen mit zwei fachlichen Helfern am LEADER-Projekt „Slowfood“: „Unser Ziel ist es, wieder alte Kultursorten zu verwenden. Wir wollen sie den Kindern wieder schmackhaft machen, deshalb werden in den Gärten von Schulen und Kindergärten zum Beispiel alte Himbeersorten oder violette Kartoffeln angebaut. Wir wollen das kritische Denken der Kinder (im Bezug auf Ernährung) wecken und damit auch ihre Eltern erreichen“, sagt sie.


Wünschers Stand: Hier kann man Essen erleben

Kinder können im Hirsebecken Figuren verstecken

„Hirse beruhigt, wenn man hineingreift.“

Die Kinder helfen selbst beim Anbau der Pflanzen mit. Das soll ihr Bewusstsein für gute und richtige Ernährung schärfen. Auch an ihrem Stand versucht Frau Wünscher, mit vielen kreativen Ideen die Aufmerksamkeit der Kleinen zu gewinnen. Anstatt Saatgut zu verkaufen, bietet sie die Möglichkeit, Essen mit allen Sinnen zu „erleben“: Bei ihr gibt es nicht nur Kostproben von getrockneten Früchten oder Marmeladen, man kann auch versuchen, in einer Holzbox verschiedene Kartoffelarten zu ertasten oder mit den Händen in einem eigenen Hirsebecken herumwühlen. „Hirse beruhigt, wenn man hineingreift“, verrät die sympathische Naturfreundin.

Das Engagement ist groß, die Hoffnung noch größer

Unterstützt wird Frau Wünscher von Liesbeth Engelbrecht, die sich um die Bastelecke kümmert. Hier dürfen die Kinder aus Klauenkletten Schiffchen bauen, aus Kürbissen Hüte basteln und mit Samen, die nicht mehr keimen können, Klebebilder machen. Manche der kleinen Besucher zeigen auch ihr grünes Däumchen und setzen in einem selbst bemalten Pappbecher eine seltene Bohnenpflanze ein, die sie stolz ihren Eltern präsentieren. Was das Projekt „Slowfood“ tatsächlich bewirkt, wird man sehen. Auf alle Fälle ist es ein Schritt in die richtige Richtung.


Gemeinsames Gestalten: Den Kindern macht es Freude


Liesbeth Engelbrecht mit einer kleinen Bastlerin



Sonntag, 30. Mai 2010

"Zukunft säen - Vielfalt ernten" oder auch "Konzerne stärken, Bauern schwächen?"

von Alexander Logar, redigiert von Lena Fuchs

Zum mittlerweile fünften Mal trafen sich vom 25. bis zum 27. März verschiedenste europäische Saatgut-Initiativen. Das Treffen unter dem Motto „Let’s liberate diversity!“ fand diesmal in der bäuerlichen Steiermark statt. Genauer gesagt, im Volkshaus in Graz.










Lage des Volkshaus Graz


Hauptthema des Treffens ist das neue EU-Gesetz, das ein einheitliches Saatrecht beschließt. Das neue Gesetz würde allerdings, laut Initiatoren, Großkonzerne durch zahlreiche Regelungen stärken und den Kleinbauern das Geschäft schwerer machen. Durch die Stärkung der Großkonzerne würden regionale und bäuerliche Saatsorten gänzlich aussterben. Die Vielfalt der Saatgutsorten könne nur durch eine vielfältiges Angebot von Bauern gerettet werden.

So bietet etwa die Arche Noah eine umfangreiche Sortendatenbank:











Auszug Sortendatenkbank Salat


Indische Kleinbauern kämpfen ums Überleben

Speziell das wirtschaftliche Überleben der Kleinbauern in Entwicklungsländern steht bei der dreitägigen Veranstaltung im Mittelpunkt. Die Vorträge beginnen somit bei Saatrecht und Bauernrechten, mit starkem Fokus auf das indische Gebiet.

Indien ist auf der Veranstaltung das Paradebeispiel für den Kampf der Bauern. Diese sind Indiens wichtigste Saatgutproduzenten. Zuletzt haben sie 85 Prozent des Jahresbedarfs in Höhe von sechs Millionen Tonnen aufgebracht. Laut Angaben der Saatgut-Initiativen dürften die indischen Bauern in wenigen Jahren viel weniger Saatgut-Sorten besitzen als heute. Großkonzerne verkaufen nämlich Bauern billige und immer gleiche Saatgut-Sorten. Das Saatgut ist aber oft voll mit Pestiziden, wodurch die Qualität der Endprodukte sinkt und Bauern von Großkonzernen abhänigig werden.

Vanda Shiva ist Trägerin des Alternativen Nobelpreis und setzt sich mit ihrer Stiftung Navdanya für die Bauern in Indien ein. Auf einer Versuchsfarm züchtet sie einheimische Sorten und gibt diese an Bauern weiter. Damit will sie die Bauern aus der Abhänigigkeit von den Großkonzernen befreien. Ein weiteres Ziel ist es, eine große Vielfalt an Saatgut-Sorten zu bewahren.

Bericht über Saatgut in Indien und Vanda Shiva:



Idealist eines Großkonzerns?

Auch in Europa ist die Diskussion um den größer werdenden Einfluss der Konzerne im Gange. Der deutsche Saatexperte Gebhard Rossmanith hielt dazu einen Vortrag über die wirtschaftliche Entwicklung des Saatgutes. Großkonzerne würden nicht bevorzugt, meint Rossmanith. Laut dem Experten beträgt das Budet eines Unternehmes zum Anbau von Saatgut lediglich eine Million Euro, verteilt auf 25 Jahre. Das wären pro Monat knapp 3.300 Euro.

In der anschließenden Fragerunde wirft ein älterer Herr Rossmanith aber vor, dass diese Zahlen nicht stimmen könnten. Rossmanith handle nur im Sinne seiner Firma. Nach Rossmaniths ausweichender Antwort verlässt der Zuseher erzürnt den Raum. Zeit beim Saatgutexperten nachzufragen. Nach mehreren Ausweichversuchen, gibt Rossmanith schlussendlich zu, für einen Konzern tätig zu sein. Er ist Vorsitzender der „Bingenheimer Saatgut AG“, die selbst ein Sortiment an Saatgut anbietet. Die AG sei aber nicht an Profit, sondern nur am Bestehen der Saatgutkultur interessiert. Auch die Aktionäre seien nicht an Gewinn interessiert, sind diese schließlich erlesen ausgesucht worden. Auf die Großkonzerne fällt, wie so oft auf der Convention, auch diesmal kein gutes Licht.












Vortrag mit Fragerunde im Volkshaus


Wirkung der Veranstaltung bleibt aus


Ob die Saatgut-Convention wirklich eine Hilfe für Bauern und Züchter war, bleibt offen. Die Situation in Indien wurde zwar klar thematisiert, allerdins wurden keine Lösungsvorschläge erarbeitet. Gegen das neue EU-Gesetz bereits läuft eine Kampagne. Ob dadurch aber die Bauern nachhaltig gegen die Großkonzeren gestärkt werden können, ist ungewiss.

Freitag, 28. Mai 2010

Gegen den Strom schwimmen

Von Lisa Maria Sommer redigiert von Nina Horcher

Europas Bauern wollen nicht tatenlos zusehen, wie durch Regelungen und Zwängen der Regierung ihre Arbeit beeinträchtigt wird.

Beim fünften Kongress der Europäischen-Saatgut-Initiativen sollten Maßnahmen gesetzt und Diskussionen in Handlungen umgewandelt werden.
Unter dem Motto "Let's liberate diversity" trafen sich dafür von 25. – 27. März Landwirte aus ganz Europa im Volkshaus in Graz.

Die 16 Teilnehmer der Arbeitsgruppe 6 mit dem Thema "Viehzucht" beschäftigten sich mit den Problemen in der Tierhaltung und Züchtung. Vor allem die Blauzungenkrankheit und der staatlich verordnete Impfzwang dagegen, bereitet den Landwirten Sorgen.














Nein zum Impfzwang

Jose, ein erfahrener spanischer Züchter nimmt auch am Kongress teil. Laut seinen Schilderungen ist die Lage in Spanien etwas komplizierter als in anderen europäischen Ländern. Denn der Widerstand gegen die staatlichen Regelungen, wie er zum Beispiel in Frankreich betrieben wird, stellt sich dort als absolut unmöglich heraus.
Züchter oder Tierhalter, die jeglichen Widerstand ausüben, werden in Spanien hart bestraft.

"Die haben natürlich Angst vor den Sanktionen, denn diese würden das Aus für ihre Betriebe und Höfe und somit für ihre Existenz bedeuten", erzählt der Rinder- und Schafbauer.


Spanische Tierhalter stehen unter großem Druck. Besonders die Impfungen gegen die Blauzungenkrankheit werden streng kontrolliert, der Zugang zu Produktionsmitteln und der Marktzugang im Allgemeinen werden schwieriger und somit steigt der finanzielle Druck für die einzelnen Tierhalter enorm an. Die meisten Landwirte in kleinen spanischen Regionen können dadurch nicht mehr selbst produzieren. Lokale Schlachthöfe existieren praktisch nicht mehr.

Für Jose geht es vor allem um sein Leben als Züchter. Es sei besonders wichtig, dass sich die Landwirte vernetzen und dann gemeinsam gegen die Probleme ankämpfen. Nur so kann auch die Versorgung der Bevölkerung in den einzelnen Ländern auf hohem Niveau gehalten werden. Deswegen sei Jose sehr froh, dass bei diesem Kongress eine Zusammenkunft der verschiedenen Tierzüchterinnen und Tierzüchter aus ganz Europa stattfindet.

Kontakt zählt

Die Idee, Kontaktdaten auszutauschen und vor allem in Kontakt zu bleiben wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Arbeitsgruppe gerne angenommen. Einig ist man sich auch in dem Punkt, gemeinsam auf Brüsseler Ebene zu zeigen, dass es unterschiedliche Regelungen in der Tierhaltung geben muss. Je nach ländlichen Gelegenheiten.

Die Richtung wurde also gewechselt, ob sie dem starken Strom der Industrialisierung jedoch standhalten kann, wird sich zeigen. Denn eine Regelung möge schnell getroffen sein, dass für Tierzüchter, wie Jose, das ganze Leben davon abhängt, daran wird offensichtlich erst später gedacht ...


Look at the Links

Ein Leben für die Tiere

VON NINA HORCHER. REDIGIERT VON LISA MARIA SOMMER.

Inmitten von Obstbäumen und Plastikklappstühlen sitzen mehrere Menschen mit Ohrhörern auf dem Kopf im Kreis. Unter ihnen auch ein junger Südfranzose, der den Erzählungen der anderen lauscht. Von außen hat man das Gefühl, neben einer Selbsthilfegruppe zu sitzen.


Eine Reise für die Schäfchen

Warum ein einfacher Schafzüchter den über 1000 km langen, schweren Weg nach Graz auf sich nimmt? Vermutungen angefangen von der großen Liebe, über einen Geschäftstermin, bis hin zu einem Kulturkurztrip sind weit gefehlt.Der Schafzüchter aus der Provence reiste aus einem einzigen Grund mehrere 1000 km nach Graz: dem 5. Treffen der europäischen Saatgutinitiativen.


Alles andere als bekannt

Unter dem Motto „Zukunft säen –Vielfalt ernten“ trafen sich von 25. – 27. März 2010 Bio-Bauern aus ganz Europa, um gemeinsam Probleme zu besprechen und Lösungen zu finden. Alles andere als öffentlich bekannt findet man die Infos zum Treffen lediglich im Internet. So auch die Wegbeschreibung, die zu einem unscheinbaren Gebäude am Rand der Stadt Graz führt.



Diskussion in der Wiese: Treffen der europäischen Saatgutinitiativen


Keine Spur von Smokings

Das Plakat mit dem Titel des Treffens gibt mir schließlich die Gewissheit, richtig zu sein. Anders als erwartet fehlt von Präsentationsraum, Mikrofonen und Businessleuten im schwarzen Blazer jede Spur. Die Schaf- Rind- und Ziegenzüchter sitzen in einem Sitzkreis, die Stimmung ist sehr entspannt. Rote Plastikklappstühle statt Drehsessel, ein Gartentisch in der Mitte anstelle eines Podestes und die Teilnehmer im Alltagslook statt im schwarzen Anzug. Sie diskutieren über ihre Probleme und es wird ein Gefühl von Zusammengehörigkeit vermittelt. Lediglich Kopfhörer, die über Funk mit dem Mikrofon einer Dolmetscherin verbunden sind, dienen als Verständigungshilfe. „Ich denke, wir sollten gleich mal eine Liste durchgeben, um in Kontakt zu bleiben!“ - Nicht lange wird überlegt, untereinander die Kontaktdaten auszutauschen.

In der Gruppe gegen Probleme

Das Treffen ist in verschiedene Arbeitsgruppen eingeteilt, um möglichst effektiv an den Problemen arbeiten und den Diskussionen teilnehmen zu können. Arbeitsgruppe 6 spricht vor allem über die Probleme in der Tierzucht. Die Sorgen der Landwirte drehen sich vor allem um die in vielen Ländern vorherrschende Impfpflicht, den Produktionswettlauf und die Verminderung der Rassenvielfalt. Für Antoine de Ruffray ist es vor allem der Impfzwang, der ihn dazu brachte am Treffen teilzunehmen. Aus diesem Grund eine solche Reise anzutreten möge für viele unverständlich sein. Doch bei diesen Züchtern geht es nicht darum ihren Beruf zu verlieren, sie könnten dadurch ihre ganze Existenz verlieren. Denn sie führen ein Leben für die Tiere, die ihr Leben für uns lassen.

Polylog mit der Natur

von Daniela Kainer, redigiert von Ann-Marie Stark



Wir ernten, was wir säen – Kräuter, Gemüse, Integration, Verständnis, Freundschaft. Der Verein Gartenpolylog steht für den Dialog mit gleichberechtigten Partnern, die Natur eingeschlossen.

In Österreich sind sie bereits zahlreich vertreten: Zehn in Wien, zwei in Tirol und Kärnten und je einer in Salzburg, Niederösterreich und der Steiermark: Interkulturelle Gemeinschaftsgärten unter dem Verein Gartenpolylog. Das Ziel des Vereins schnell erklärt: Es geht um den lebendigen Austausch zwischen Menschen verschiedener Herkunft im Medium Natur. Das gemeinsame Gärtnern und die damit verbundenen sozialen Tätigkeiten sollen Menschen, unabhängig von ihren kulturellen Wurzeln, in die Gesellschaft hineinführen, so Ursula Taborsky, Vorstandsmitglied des österreichweiten Netzwerks Gartenpolylog für Interkulturelle Gärten. Sie hat den Verein nach mehrjähriger Arbeit bei Arche Noah in Schiltern, einem Verein zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt, 2007 mitbegründet. Für Taborsky ist der Garten ein Entfaltungsraum für benachteiligte Menschen, die durch das gemeinschaftliche Arbeiten miteinander in Kontakt treten und ihren Horizont erweitern.

Einige halten ihre Erfahrungen auch im Internet auf eigenen Blogs fest. Der Heigerleingarten vergibt Beete und schafft so einen Nachbarschaftsgarten, an dem jeder der Lust am Gärntern hat, mitmachen darf.

Wissen anbauen und austauschen“

Alle Gärtner und Gärtnerinnen sollen den richtigen Umgang mit der Natur und untereinander lernen. Im Vordergrund steht der gegenseitige Austausch von Wissen und Erfahrung. Wichtig dabei ist, dass alles auf freiwilliger Basis passiert, keiner wird zum Mitarbeiten gezwungen. In den Interkulturellen Gemeinschaftsgärten finden regelmäßige Treffen statt, bei denen die Teilnehmenden kulturelle Veranstaltungen organisieren, den Gießplan festlegen und über die richtige Bewirtschaftung diskutieren. Und selbstverständlich wird gegärtnert! Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt, alles was in unseren Gefilden wachsen kann, wird gesät: Orientalische Kräuter neben heimischen Tomaten und Salaten, türkische Gewürze neben bunten Blumen.

Ausgetauscht werden aber nicht nur Tipps rund ums Ernten und Säen, sondern auch Samen. Saatgut aus verschiedenen Ländern wird so erhalten und kann nach der Ernte wieder verwendet werden. „Der Sinn des Samens liegt in seiner Wiederholbarkeit“, erklärt Taborsky. Deswegen ist es wichtig, dass es weiterhin `samenfeste´ Sorten gibt, die man selbst anbauen, vermehren und untereinander austauschen und weitergeben kann.



Die Riesen der Saatgutbranche

Weltweit führende Konzerne, darunter Monsanto und Bayer, beanspruchen jedoch ein Saatgutmonopol für sich. Das habe laut Taborsky weitreichende wirtschaftliche Folgen für die heimische Landwirtschaft und unser Saatgut. Denn diese Firmen vertreiben Hybridsamen, welcher nach einmaliger Aussaat nicht wieder verwendet werden kann. Er kann sich nicht mehr richtig fortpflanzen und verliert somit seinen eigentlichen Sinn. Um dem entgegen zu wirken, haben sich aus vielen Ländern Europas Saatgutinitiativen unter dem Motto "Let's liberate diversity" zusammengeschlossen. Beim diesjährigen Treffen in Graz Ende März arbeiteten sie an dem gemeinsamen Ziel, Saatgut weiterhin selbständig züchten und weitergeben zu können.


Garden in the City

Die meisten Gemeinschaftsgärten befinden sich in der Stadt. Denn anders als auf dem Land fehlt es vielen Menschen im städtischen Gebiet an nötigen Grünflächen, um selbst einen Garten zu pflegen. Der Wunsch nach selbst angebauten Nahrungsmitteln ist groß und so wird mit den Gärten ein starkes Bedürfnis der Stadtmenschen befriedigt. Der Genuss von frischem und gesundem Gemüse wird aber um etwas Wesentliches ergänzt: das Erlebnis, Lebensmittel selbst zu säen und zu ernten. Für Taborsky ist das „ein wichtiger Bestandteil um das Leben vollständig zu machen“.


Interkulturell heißt international

Der Verein Gartenpolylog orientiert sich am Konzept der Organisation Community Gardening, die es seit den 80er Jahren in den USA und Kanada gibt. „Unser Verein soll Interkulturelle Gärten fördern und bekannter machen“, sagt Vorstandsmitglied Taborsky und bringt die Idee hinter ihrem Verein auf den Punkt. Die Wirkung nach außen sei wichtig, damit könne man Leute auf die Gemeinschaftsgärten aufmerksam machen. Auch in Deutschland und in der Schweiz hat sich de Verein Internationale Gärten bereits etabliert.

Im niederösterreichischen Greifenstein befindet sich der Internationale Garten "flysch". Dort betreuen Asylwerber die Beete und verkaufen die geernteten Produkte.

Das Ziel der Vereine bzw. Gärten ist überall dasselbe: Integration und Nachbarschaftshilfe durch den gegenseitigen Austausch von Wissen und Fähigkeiten, Samen und Früchten, Erfahrungen und Erlebnissen.

Nützliche Links:

Verein Gartenpolylog

Arche Noah

Let´s liberate diversity

Monsanto

Bayer

Hybridsamen

Community Gardening

Internationale Gärten

Schutz = Impfung?

VON ANDREA FEIERL. REDIGIERT VON CHRISTINE DRECHSLER.

Schutz = Impfung?

Es scheint langweilig, dass die Europäische Saatgutinitiative nach dem Motto „Let's Liberate Diversity“ über Pflichtimpfungen bei Nutztieren diskutiert. Jedoch geht es hier um die Einschränkungen der freien Entscheidung und der Eigenverantwortung des einzelnen Menschen. Alles nur zum Schutz für die Tiere?

Speziell die Pflichtimpfung gegen die Blauzungenkrankheit ist ein großes Thema bei der "Zukunft säen - Vielfalt ernten"-Konferenz, die vom 25. - 27. März 2010 in Graz stattfindet. Die anwesenden Landwirtinnen und Landwirte sind sich einig: "Diese Pflichtimpfung sei der Inbegriff der Einschränkung ihrer Selbstbestimmung." Die Bäurinnen und Bauern möchten selbst entscheiden, welche Tiere sie züchten und wogegen sie diese impfen.

Landwirte: "Schikanemaßnahme der Regierung"

In einem winzigen Garten in Graz haben sich TeilnehmerInnen der Konforenz versammelt um Erfahrungen auszutauschen und einen gemeinsamen Tenor zu finden. Die DiskutantInnen sind aus der ganzen Welt angereist - sie verständigen sich haupsächlich auf Französisch. „Es ist vollkommen unnötig gegen eine Krankheit zu impfen, die es bei uns nicht gibt. Wir haben den Eindruck, dass das eine reine Schikanemaßnahme der Regierung ist, ein Vorwand das Vieh in Österreich zu registrieren um die Zucht überwachen zu können“, sind die Landwirtinnen und Landwirte einer Meinung.

Viele berichten von negativen Erfahrungen nach einer Impfung: Fehlgeburten, Fieber und erhöhte Zellzahlen kommen nicht selten vor. Auch Erfahrungsbericht im Internet bestätigen, dass es nach dem Tierarztbesuch immer wieder Probleme gibt.

Über Zecken, Menschen und Fliegen

„Kann nicht sein!“, meint Tierarzt Dr. Georg Stanek. Die Impfung sei ungefährlich solange sie richtig durchgeführt werde und die Tiere nicht unter Stress stehen. „Ich habe mehrere hundert Rinder geimpft und bei keinem einzigen hatte mit irgendeiner Art von Folgeschäden zu kämpfen“, berichtet der Tierarzt. In den Augen des zuständigen Veterinäramtes ist die Impfung notwendig um eine Verbreitung in Österreich zu verhindern. Die Krankheit könne über Zecken und Fliegen verbreitet werden, wird allerdings nicht von Tier zu Tier übertragen. Für den Menschen ist sie völlig ungefährlich, da sie nur Wiederkäuer befallen kann.

In Österreich gibt es bisher nur wenige dokumentiere Fälle. Das erste Mal konnten Antikörper, die sich während der Krankheit gebildet hatten, im November 2008 in der Milch einer Kuh in Oberösterreich festgestellt werden. Das Tier zeigte keine Symptome, die auf die Blauzungenkrankheit hingewiesen hätten. Trotzdem war diese Kuh der Auslöser für die flächendeckende Impfpflicht in Österreich.

Behörden strafen

Im Schnellverfahren wurde der Impfstoff geprüft, bevor die ersten Tiere geimpft wurden. Ob Klein-, Bio-, Milch-, oder Mastbetrieb, alle österreichischen Bäurinnen und Bauern musste Ziegen, Kühe und Schafe innerhalb weniger Monate impfen lassen. Nach den ersten Berichten über Folgeschäden der Impfung begannen Landwirtinnen und Landwirte, sich zu wehren und die Maßnahme zu verweigern. Die zuständigen Behörden kommentierten dies mit der Androhung hoher Geldstrafen.

Ein Fall aus Deutschland dokumentiert sogar, dass ein Bauer, der sich weigerte seine Tiere zu impfen, in Gefängnis musste:


Impfpflicht in Österreich aufgehoben


Die gut 20 weit angereisten Betroffenen auf der "Saatgutconvention" verstehen nicht, warum sie gezwungen wurden, ihre Tiere zu impfen. Für sie ist es ein Beispiel für den Kontrollwahn der Regierung. Dieser verwehrt ihnen auch die Förderung für die Zucht seltener Nutztierrassen, da gewöhnliche Fleischrassen in der Verarbeitung mehr Ertrag bringen. Vor der Krankheit fürchten sie sich weniger, als davor ihr Selbstbestimmungsrecht zu verlieren.

Müssen die Bäurinnen und Bauern vor sich selbst geschützt werden? Muss man wirklich zur Zwangsimpfung greifen, auch wenn es um reine Vorsichtsmaßnahmen geht? Die Meinungen gehen hier auseinander. Feststeht, dass die Impfpflicht in Österreich wieder aufgehoben wurde. In Frankreich allerdings existiert sie weiterhin.

Die Landwirte fühlen sich übergangen. Die Regierung fühlt sich dadurch bestätigt, dass die Krankheit bis jetzt nicht verbreitet ist. Wer für die Impfschäden aufkommen wird und ob es ohne die Impfung eine Epidemie gegeben hätte, bleibt ungeklärt.


zusätzliche interessante Links:

Österreichisches Bundesministerium für Gesundheit, Blauzungenkrankheit

European Food Safety Authority, Blauzungenkrankheit